AKW sollen für Atomunfälle zahlen

Haftung und Versicherung von Schäden, die durch Unfälle in Nuklearanlagen verursacht werden, sollen in Zukunft endlich (!) von den Atom-Betreibern selbst übernommen werden.

Atomstopp Oberösterreich setzt sich derzeit für eine europaweite einheitliche Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke ein und sammelt Unterschriften für eine Petition an das Europäische Parlament. Mehr als 4.200 Unterschriften liegen bereits vor, Unterzeichnungen sind nun auchONLINE möglich!

Die PLAGE Salzburg initiierte 1993/1994 die Kampagne, die - sehr konkret - auf ähnliches abzielte: die "Schadenersatz-Voranmeldungen gegen Temelin". Rund 100.000 ÖstereicherInnen, zahlreiche Institutionen, Gemeinden und Bundesländer machten darin vorbeugend ihre materiellen Ersatzansprüche für den Fall, dass ihnen aus dem mit Westinghouse-Technik fertiggestellten AKW Temelin Schaden erwachsen sollte, geltend. Diese Ersatzansprüche hätten vor einem US-Gericht exemplarisch durchgefochten werden müssen. US-Anwälte wären dazu bereit gewesen. Eine Schätzung der daraus resultierenden Kosten betrug jedoch rund 1 Million Schilling. Ein Betrag in dieser Höhe sowie das finanzielle Risiko konnten von der PLAGE begreiflicherweise nicht gestemmt werden.

 

Zeitungsbericht aus dem Kurier vom 15. April 2013, S. 14, von Irmgard Kischko:

Eine atomare Katastrophe wie im japanischen Fukushima würde in Europa Staaten in den Ruin reißen: Auf bis zu 420 Milliarden Euro werden die Schäden dieses Unfalls geschätzt. „Unsere Atomkraftwerke sind für den Pannenfall nur minimal versichert. Den Großteil der Schäden aus einem Atomunfall müssten daher die Staaten und damit die Steuerzahler übernehmen", kritisiert der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) im Gespräch mit dem Kurier.

Da Wasser- und Wärmekraftwerke aber für etwaige Schäden, die sie verursachen, voll haften müssen, ortet Anschober eine eklatante Wettbewerbsverzerrung und hat vor wenigen Wochen eine Beschwerde bei EU-Energiekommissar Günther Oettinger eingebracht. Der reagierte prompt: „Die Kommission beabsichtigt, noch in der zweiten Jahreshälfte 2013 eine Initiative vorzulegen. Diese betrifft einen legislativen Vorschlag bezüglich Haftung und Versicherung von Schäden, die durch Unfälle in Nuklearanlagen verursacht werden", heißt es in der Antwort der Kommission.

Ausstieg

Anschober wertet das als äußerst positive Nachricht. „Wenn die EU tatsächlich eine angemessen hohe Pflichtversicherung für die Atomkraftwerke vorschreibt, ist das der Einstieg zum Ausstieg. Denn Atomkraft würde dann unwirtschaftlich", ist er überzeugt. „Wenn die EU die Regeln fair anwendet, gewinnen wir", glaubt der Grün-Politiker.

Derzeit legen die EU-Staaten selbst die Haftungshöhe für ihre Atomkraftwerke fest. Im Nuklearstrom-reichen Frankreich ist diese Haftung besonders niedrig: Auf lediglich 92 Millionen Euro sind alle 56 AKW des Landes zusammen versichert. In den Niederlanden liegt die Haftung immerhin bei 340 Millionen Euro, in Tschechien bei 306 Millionen Euro, geht aus einer Studie der Universität Linz hervor.

Die geringe Haftung der Atomkraftwerke sei eine Subvention für diese Energieerzeuger, sagt Anschober. Die EU sei in Wettbewerbsfragen eigentlich immer streng, diese Kostenbefreiung der AKW sei sie bisher nicht angegangen.

Neubau-Subvention

Die europäische Atom-Lobby will von zusätzlichen Kosten selbstverständlich nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Sie drängt darauf, für den Neubau von AKW Förderungen zu bekommen. Vor allem Großbritannien, wo eine Serie neuer nuklearer Kraftwerke geplant ist, aber auch Tschechien, das Temelin 3 und 4 errichten will, hat bereits entsprechende Vorstöße gemacht.

Wegen des aktuell niedrigen Strompreises im Großhandel sind neue AKW nämlich Verlustbringer. 40 Euro kostet die Megawattstunde Strom im Großhandel derzeit. Großbritannien rechnet mit Kosten von 100 Euro je kWh für neue AKW, Temelin mit 70 Euro. Die Betreiber wünschen sich daher staatlich garantierte Stromabnahmepreise. „Das wäre ein eklatanter Widerspruch zum EU-Wettbewerbsrecht", betont Anschober. Auch diese Subventionsfrage dürfte die EU bis zum Jahresende entscheiden. „Die Zukunft der Atomindustrie in Europa wird sich also heuer erklären", erwartet Anschober.

Foto oben rechts: Michael Staudinger/ pixelio.de