Die Wackersdorf-Story

 28.9.79: Die Regierungschefs der dt. Bundesländer beschließen, sobald wie möglich eine WAA in der Bundesrepublik zu errichten.

18.2.82: Die Deutsche Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK, Tochter der großen Elektrizitätsversorger) beantragt bei der Regierung der Oberpfalz die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens für drei mögliche Standorte im Landkreis Schwandorf.

 1983-84: Öffentliche Auslegung der DWK-Anträge, des Sicherheitsberichtes. Über 53 000 Einwendungen. Erörterungstermin, Auszug der WAA-Gegner unter Protest gegen Vorgangsweisen des Bayer. Umweltministeriums. Landrat Hans Schuierer weigert sich, den Bebauungsplan für die WAA auszulegen.

1985: Die DWK stellt den Baugenehmigungsantrag für die WAA Wackersdorf. Der Bundestag beschließt die „Lex Wackersdorf“: Die erstgerichtliche – lokale – Instanz bei Einsprüchen gegen Großprojekte im Bereich der Energieversorgung wird ersatzlos gestrichen.

Im Landratsamt Schwandorf werden für zwei Wochen(!) vom Umweltministerium die gutachterlichen Stellungnahmen ausgelegt. Sie dürfen nicht kopiert werden. Abschreiben ist nur nach langem Hin und Her gestattet. Innerhalb der zwei Wochen schreiben daraufhin WAA-Gegner 2000 Seiten handschriftlich ab.

Herbst 1985: Die Stadt Salzburg beschließt eine Protestresolution gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage.

1986: Nach der Reaktorexplosion in Tschernobyl: Am 1. Juni demonstrieren 3000 Salzburger zur Unterstützung des Oberpfälzer Widerstands in der Stadt Schwandorf. Es folgen bis 1988 weitere Solidaritätsdemonstrationen, Grenzblockaden an den Übergängen Walserberg und Suben. Die Stadt Salzburg und der Landkreis Schwandorf schließen eine Antiatom-Partnerschaft. Die Regierung der Oberpfalz verbietet diese.

1986-88: Stadt und Land Salzburg und im Gefolge weitere österreichische Städte (zB Linz) und Bundesländer (OÖ, Vorarlberg...) schließen sich den verfahrensrechtlichen Schritten und Klagen gegen die atomrechtlichen Teilgenehmigungen für die WAA an.

22.2.-22.4.1988 Einwendungsfrist gegen die öffentlich ausgelegten Pläne im Rahmen der 2. atomrechtlichen Teilgenehmigung.

Die Woge des Widerstands in Österreich erreicht ihren Höhepunkt, tausende Menschen sammeln und bearbeiten die Einwendungen.

Es werden extra Einwendungsargumente/-formulare für Landwirte, für Fremdenverkehrsbetriebe, für Kinder usw. entworfen. Von den westlichen Bundesländern bis Wien beteiligen sich auch vielfach öffentliche Stellen, zB mit Drucken, Kopieren, Aussenden. Beim Sortieren, Stempeln, Zählen, Abpacken der wachsenden Berge an Einwendungen helfen Jugendliche nach der Schule, Berufstätige nach der Arbeit.

Angesichts der 453.000 übergebenen Einwendungen aus Österreich gehen den Beamten im Bayerischen Umweltministerium die Augen über. Dies ist gut ebensoviel, wie aus ganz Deutschland zusammenkamen.

Sommer 1988: Mehrwöchiger Erörterungstermin für die Einwender in Neunburg vorm Walde, Opf. Am eigens ausgehandelten „Österreicher-Tag“, dem 22. Juli 1988, tragen Landes- und Stadträte und Abgeordnete die Bedenken österreichischer Bundesländer und Landeshauptstädte vor. Bis dahin weltweit nicht dagewesen: ein Regierungsmitglied aus einem Nachbarland, Umweltministerin Marilies Flemming, tritt als Einwenderin auf und hält eine Brandrede gegen die WAA. Gewaltiges Echo in Deutschland. Nach 4 Wochen willkürlicher Abbruch des Erörterungstermins.

Herbst 1988: Überraschender Tod des bayerischen Ministerpräsidenten und politischen Hauptverfechters der WAA, Franz Josef Strauß. – Trotz Dementis neigt sich die Waage gegen die WAA ...

Frühjahr 1989: Das Radio meldet: „Wackersdorf wird nicht gebaut!“

Der österreichische Widerstand – ohne Zwentendorf 1978 in dieser Breite undenkbar – war dafür ein Hauptfaktor. Auch die offizielle Antiatom-Außenpolitik der österreichischen Länder und der Bundesregierung hat hier begonnen.