Schadenersatzvoranmeldung

Wie keine andere Antiatomkampagne seit Wackersdorf animiert die Aktion 'Schadenersatz-Voranmeldungen' die Bürgerlnnen des Atomfreistaates Österreich zum Mitmachen. Nur Wochen noch Start der Plattform-Maßnahme waren 25 Milliarden erreicht. Bei Redaktionsschluss dieser PN-Ausgabe war die halbe Billion längst überschritten.

Bericht aus der Plattform News 3/1993

Quer durch Österreich ist eine Lawine ins Rollen gekommen, deren Dimension unsere kühnsten Erwartungen längst übertroffen hat und die unaufhaltsam weiterwächst. In zumindest 5 von 9 Bundesländern rechnen Bürger, Unternehmen, Gemeinden und ganze Länder derzeit systematisch zusammen, was es kostet, sollte unser Land von einem atomaren Unfall im AKW Temelin betroffen sein. Die so ermittelten Summen werden von der Salzburger PLATTFORM zentral gesammelt und von unserem Rechtsanwalt an die US-Firma Westinghouse weitergeleitet. 

Grundlage der Aktion bilden Österreichisches Recht sowie oberstgerichtliche Entscheidungen, denen zufolge Errichter und Betreiber eines- Kernkraftwerkes mit ihrem gesamten Vermögen für Schäden, die sie mit, ihrer Anlage anrichten, haften! Und zwar auch dann, wenn sich die Quelle des Übels außer Landes befindet. Nach endgültiger Fertigstellung steht mit dem AKW im tschechischen Temelin eines der größten Kernkraftwerke Mitteleuropas, 95 Kilometer Luftlinie von Linz, 180 km von Salzburg entfernt.
Aber auch jeder beliebige andere Ort in Österreich gäbe gewiß kein geschütztes Plätzchen für schadenfrohe Unfallgaffer ab: Spielt das Wetter mit, ist ein GAU in Temelin problemlos in der Lage, weite Teile Österreichs binnen Tagen in ein Land
zu verwandeln, dessen glanzvolle Urlaubsbroschüren über Nacht zu zeitgeschichtlichen Dokumenten würden. Staus ganzjährig, nur bei der Ausreise.

Das Wesentliche ist nicht in Geldwerten zu bemessen. Doch die Methode, ein Kernkraftwerk nicht allein mit Ethik, Geigerzähler und Krebsstatistiken zu bekämpfen sondern mit Risikosummen und deren Finanzierbarkeit, hat ungeheuere Zustimmung gefunden. Es ist ja auch nicht einzusehen, warum ein Luftfahrtunternehmen keine Sekunde in die Luft gehen darf, ohne auf Schilling und Groschen den Nachweis zu erbringen, daß für eventuelle Schäden gehaftet werden kann, Temelin aber jederzeit. Westinghouse soll genau wissen, was Austria kostet.

Atombetreiber riskieren gern alles. Außer ihr Geld!
Daß man 7 Jahre nach Tschernobyl atomare Technologie in die Landschaft setzen kann, ohne auch nur ansatzweise darlegen zu müssen, wie Schadenersatzforderungen nach einem eventuellen Unfall gedeckt werden können, ist eigentlich kaum zu fassen. Während Banken eheliche Kinder als schwerwiegendes Risiko bei der Vergabe von Privatkrediten behandeln, lassen sich für Atomkraftwerke Milliarden auftreiben. Risikosummen, die gegen Unendlich tendieren, sind in branchenüblichen Kalkulationen auch schwerlich unterzubringen - die Kreditwürdigkeit des Hauses wäre auf der Stelle bei Null angelangt. Es wird allerhöchste Zeit, den Finanziers und Betreibern einer unverantwortlichen Atomtechnik die möglichen Kosten öffentlichkeitswirksam nahezubringen. Das Ignorieren der Verantwortung muß wieder ein Stück schwieriger werden.

Quer durch die Bundesländer und die österreichische Parteienlandschaft rollt derzeit die Anmeldelawine. In vielen Gemeinden sind längst Antiatomgruppen, Aktivisten und sogar die Kommunen selbst am Einsammeln der Schadensabschätzung.

In diesen Tagen bereitet Plattform-Anwalt Helmut Hüttinger einen weiteren Brief an die Firma Westinghouse vor. Darin enthalten der vorläufig neueste Stand der Anmeldungssumme: Mehr als eine halbe Billion Schilling. Das sind über fünfhunderttausend Millionen! Zum Vergleich: Der Westinghouse-Kredit zur Fertigstellung von Temelin beläuft sich lediglich auf 4,2 Mrd. Schilling (d.s. 4200 Millionen)