Was Sie über "Energiegemeinschaften" wissen müssen.

Heinrich Breidenbach von der PLAGE sprach darüber mit Frank Kok, Obmann der Ökostrombörse Salzburg.

Breidenbach: Das „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz“ ermöglicht BürgerInnen, „Energiegemeinschaften“ zu bilden.  Was genau ist so eine „Energiegemeinschaft“?

Kok: Das ist einfach ein Zusammenschluss von Stromverbrauchern und Stromerzeugern, welche Strom miteinander tauschen.

Wie viele TeilnehmerInnen soll eine Energiegemeinschaft mindestens haben?

Rein formal reichen zwei TeilnehmerInnen. Die Frage ist allerdings, ob für zwei der ganze Organisations-Aufwand gerechtfertigt ist. Eher nicht.

Also zu einer Energiegemeinschaften tun sich zum Beispiel vier Leute zusammen, von denen mindestens eine/r eine geeignete Fläche hat?

Ja genau! Wenn es um eine Photovoltaik-Anlage geht, kann ein Teilnehmer an der Erneuerbaren Energie Gemeinschaft (EEG) seine Anlage gleich größer planen und den Strom an die anderen Mitglieder liefern. Dadurch können auch etwa Mieter und alle, die keine eigenen Flächen haben, an der Energiewende teilhaben. Es kann aber auch eine andere Energiequelle sein. Die Ökostrombörse errichtet etwa gerade das Kleinwasserkraftwerk SINNhub am Salzburger Almkanal. Auch das wird durch eine Energiegemeinschaft finanziert. 

Eine Energiegemeinschaft soll also immer ein Mix aus Leuten mit und ohne geeigneten Flächen sein?  Ist das richtig?

Wenn es um eine Photovoltaik-Anlage geht, ja.

Wo kann eine Energiegemeinschaft gebildet werden? Gibt es räumliche Vorgaben, bzw. Beschränkungen? Im selben Ort? In derselben Stadt? Im selben Stadtviertel?

Die TeilnehmerInnen an Energiegemeinschaften sollen im Einzugsbereich desselben Umspannwerks sein. Davon gibt es im Land Salzburg 48.

Sind die Versorgungsgebiete solcher „Umspannwerke“ irgendwo graphisch gut sichtbar abgebildet? Gibt es solche Grafiken im Internet?

Hier gibt es Auskunft seitens des Netzbetreibers, also der Salzburg AG.

Warum gibt es das noch nicht einfacher?

Wir sind hier erst am Anfang einer Entwicklung, welche den Netzbetreibern einiges abverlangt. Ich bin aber zuversichtlich. Wir werden viele Verbesserungen schon in den nächsten Monaten sehen.

Ist die Gründung einer Energiegemeinschaft kompliziert? Welcher Rechtsform bedarf es da? Können die Schritte einfach skizziert werden?

Ganz einfach ist es leider nicht. Rechtlich kann eine Energiegemeinschaft als Verein, Genossenschaft oder als GmbH organisiert sein, wobei Gewinnerzielung nicht der Zweck der Organisation sein darf. Ich denke, der Verein ist die einfachste Organisationsform.

Wo gibt es gute Information, Hilfe und Unterstützung?

Die Koordinationsstellen für Erneuerbar Energie-Gemeinschaften betreiben eine informative Website unter www.energiegmeinschaften.gv.at. In Salzburg sind die Koordinierungsstellen mit DI Markus Schwarz am „Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen“, unter www.salzburg.gv.at/dienststellen/sonstige-einrichtungen/sir vertreten. Andockstellen gibt es auch bei der Salzburg AG und bei uns, www.oekostromboerse.at .

Gibt es schon funktionierende Beispiele in Salzburg?

Die Salzburg AG hat mit einer Energiegemeinschaft in Hallwang begonnen, wo der Photovoltaik Strom einer Druckerei am Wochenende an Nachbarn geliefert wird. Die Ökostrombörse betreut in Kooperation mit Gemeinde und Salzburg AG die Etablierung einer Energiegemeinschaft in Thalgau und wir realisieren die schon erwähnte Energiegemeinschaft SINNhub.

Muss für Photovoltaik das Dach, oder eine sonstige Fläche, nach Süden ausgerichtet sein?

Eine Südseite ohne Beschattung ist natürlich optimal, es gibt aber auch genug Beispiele für Ost-West ausgerichtete Photovoltaik-Anlagen. Durch die gesunkenen Modulpreise bei gleichzeitig steigender Leistung der Module ist mehr Toleranz möglich. 

Nur als Größenordnung, damit wir uns etwas vorstellen können. Sagen wir eine Photovoltaik-Anlage mit 140 Quadratmetern, fix und fertig installiert. Wie viel Strom produziert sie? Und was kostet sie heute ungefähr?

Eine Anlage mit rund 140 Quadratmeter Kollektorfläche hat mit modernen Modulen rund 35 kWpeak Leistung und erzeugt bei optimaler Ausrichtung um die 35.000 kWh pro Jahr. Dafür sind brutto rund 45.000 Euro Investition notwendig.

Das wäre Jahresstrom für wie viele durchschnittliche Haushalte? 

Für circa zehn. 

Wie hoch wären die Förderungen dafür?

Aktuell je nach technischen Kriterien rund 10.000 Euro. Für eine Gemeinschaftsenergieanlage kann es auch mehr sein.

Was bekommen Energiegemeinschaften für den Strom, den sie nicht selber verbrauchen, und ins Netz einspeisen?

Der aktuelle Marktpreis für Ökostromeinspeiser liegt bei 24 Cent/KWh. 

„Rechnet“ sich die Investition in eine Photovoltaik-Anlagen im Normalfall?

Bei den aktuellen Marktpreisen jedenfalls, wenn nicht irgendein technischer Murx gebaut wird.

Sind Stromspeicher zu einer Anlage zu empfehlen? Rechnen sich diese? Machen Speicher Photovoltaik ökologischer, weil sie die Tag-Nacht Schwankungen ausgleichen?

Ich würde beide Fragen mit ja beantworten, wissend, dass es hier viele Einwände und Vorbehalte gibt. Selbst wenn eine PV-Anlage dieselbe Jahreserzeugung hat, wie unter dem Dach eines Wohnhauses verbraucht wird, kann damit doch nur ca. 35-45 Prozent des Verbrauchs gedeckt werden, weil ein Teil des Stromverbrauchs in einer Zeit stattfindet, in der die Sonne nicht scheint oder nicht ausreichend scheint, um den Verbrauch abzudecken. Zugleich ist die Sonne im Sommerhalbjahr besser verfügbar, als im Winterhalbjahr wo die ankommende Strahlungsintensität niedriger ist und die Tage kürzer. Ein Batteriespeicher kann bei den aktuellen Preisen helfen den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen, weil etwa der Stromverbrauch für die Nacht am Tag eingelagert werden kann. In Kombination mit bestehenden Förderungen „rechnet“ sich das auch für den Betreiber. Je teurer der Strombezug übers Netz wird, desto mehr rechnet es sich. Ökologisch ist es eine Bewertungsfrage, bei der aktuell sehr viel Emotion und Fake-News unterwegs sind. Da diese Batterien wiederverwertet werden können, bin ich der Meinung, dass es sinnvoll ist diesen Weg auch zu gehen.

Wird man mit Stromspeichern „autark“?

Autarkie ist ein großes Wort, wenn es um die Energieversorgung geht. Batteriespeicher können bei entsprechender Dimensionierung kurzfristige Stromausfälle überbrücken. Für eine jahreszeitliche Umlagerung etwa von Photovoltaik-Strom ist derzeit das Stromnetz nicht zu ersetzen, wenn nicht ein Notstromaggregat einbezogen wird. Unsere persönliche Erfahrung in Geinberg zeigt uns aber, dass bei einem Jahresstromverbrauch von 5.000 kWh und einer Jahreserzeugung aus Photovoltaik im Umfang von ca. 12.000 kWh es in Kombination mit einem Batteriespeicher (19 kWh) möglich ist, den Anteil von Strom aus dem Netz übers Jahr gesehen auf ca. 10 Prozent zu reduzieren, also zu 90 Prozent „autark“ zu werden. Der Großteil davon ist im Dezember/Jänner notwendig, laufend nur geringe Mengen für Regelzwecke.

Wer bringt Leute zusammen, die sich an einer Energiegemeinschaft beteiligen wollen?

Es ist wohl das gemeinsame Wollen das wichtig ist. In Landgemeinden sind es oft die Gemeinde und können es auch Vereine und Gruppen sein, die eine Erneuerbare Energie Gemeinschaft anleiern. In der Stadt Salzburg tun wir es aktuell als Ökostrombörse.

Gibt es einen Unterschied zwischen Privatpersonen, die eine Energiegemeinschaft gründen wollen und Unternehmen? Können Privatpersonen und Unternehmen in einer Energiegemeinschaft sein?

Alle diese Gruppen können gemeinsam eine Energiegemeinschaft gründen. Die Teilnahme soll nur nicht der wirtschaftliche Haupterwerb eines Unternehmens sein.

Soll auf jedes grundsätzlich geeignete Dach in Österreich eine Photovoltaik-Anlage?

Ja, definitiv! Alleine extreme Schattenlagen sollten überlegt werden.

Vielen Dank Franz Kok! Und der Ökostrombörse gutes Gelingen für das SINNhub-Projekt am Almkanal

Franz Kok...

... ist ein Politikwissenschafter an der Universität Salzburg, dem der akademische Elfenbeinturm nie genug war. Kok engagierte sich schon ab 2001 als Geschäftsführer der „Salzachwind“ Gesellschaft für die Nutzung der Windenergie in Salzburg. Er war Mobilitätsbeauftragter der Universität Salzburg. Auf dem Dach seines Ferien- und Seminarhauses in Geinberg erzeugt er mehr als doppelt so viel Strom, als er dort samt eAuto verbraucht. Seit 2021 ist Kok auch Obmann der Organisation Ökostrombörse in Salzburg. Diese ist seit nunmehr 16 Jahren eine gemeinsame Plattform von PLAGE, Naturschutzbund, Arbeitsgemeinschaft für Erneuerbare Energie und Salzburg AG, wenn immer es um Ökostrom geht. Fotocredit: Ökostrombörse.

Fotocredit Bild oben: 182909010 Dimitris66 / istock.com