"Energiesparen muss an vorderster Stelle stehen". Ein Energieberater der ersten Stunde im Interview.

Rupert Fuchs (58) ist seit dreißig Jahren als Energieberater selbständig und für das Land Salzburg tätig. Er war ein Pionier mit Selbstbaugruppen von Warmwasser-Solaranlagen. Aktuell tüftelt der Pongauer unter anderem an Solaranlagen auf den Speicherteichen der Liftgesellschaften.

Das Interview führten Heinrich Breidenbach und Julia Bohnert von der PLAGE. Es ist auch in der aktuellen Ausgabe der plage News abgedruckt. 

PLAGE: Macht Energiesparen Sinn? Gibt es ein nennenswertes Einsparungspotential? Oder sollte in der gegenwärtigen Energiekrise der Fokus nicht auf die Stromproduktion aus neuen, nachhaltigen, alternativen Energiequellen gerichtet sein?

Fuchs: Wir brauchen beides. Aber an erster Stelle müssen Einsparung und Effizienz stehen. Die haben auch das größte, schnell realisierbare Potential. Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, muss nicht erzeugt werden. Es wird unterschätzt, wie aufwändig es ist, etwa eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen. Auf dem Rad kann jeder spüren, wie viel Kraft notwendig ist, um ein kleines Lämpchen zum Leuchten zu bringen.

Kann man dieses Einsparungs-Potential quantifizieren?

Meiner Erfahrung und Beobachtung nach könnten zwanzig bis dreißig Prozent der Energie ohne Komfortverlust eingespart werden. Aber solche Zahlendiskussionen bringen wenig. Man muss anfangen und es tun.

Zwanzig bis dreißig Prozent klingen unrealistisch viel.

Ja, aber ich gebe ein Beispiel. Als Energieberater komme ich in Haushalte mit 24 Grad Raumtemperatur. Da muss man sich ausziehen, so warm ist es, und ungesund zusätzlich. Die Bewohnerinnen und Bewohner spüren das aber nicht mehr. Sie haben sich daran gewöhnt. Man rechnet mit rund sechs Prozent Einsparung der Heizenergie pro Grad Raumtemperatur. Fahre ich also von 24 Grad auf gesündere 21 Grad hinunter, spare ich nur bei der Heizenergie schon 18 Prozent.

Sie gehen seit dreißig Jahren als Energieberater in Haushalte. Worauf schauen Sie zuerst?

Ich schaue einmal gleich auf die Steckdosen, Steckerleisten und unzählige Standby-Lämpchen. Da gruselt es mich dann schon. Ich sehe angesteckte Fernseher, Computer, Elektro- und Ladegeräte, die gar nicht laden, aber trotzdem ununterbrochen Strom verbrauchen.

Warum? Wenn kein Strom fließt, wird doch keiner verbraucht.

Sobald das Ladegerät angesteckt wird, fließt Strom, da die vorhandene Spannung von 220 Volt ständig auf die niedere Spannung von meist 5 bis 12 Volt umgewandelt wird, obwohl kein Verbraucher angesteckt ist. Ein Beispiel wäre etwa die Ladestation einer elektrischen Zahnbürste. Die verbraucht im Jahr Strom für 10 bis 15 Euro, nur weil sie angesteckt ist, nicht weil sie tatsächlich ladet. Für den Akku im Gerät ist das zudem schlecht. Also in allen angesteckten Lade- und Standby-Geräten steckt ein enormes Potential drinnen.

Im Alltag glaubt fast jede und jeder, das sei unerheblich.

Ich weiß, aber ein Tipp dazu. Notieren sie einmal den Stromzähler-Stand am Morgen, vor dem außer Haus gehen und abends beim Heimkommen. Am nächsten Tag schalten sie alle nicht benötigten Ladegeräte, Standby-Geräte, Computer, Bildschirme, Beleuchtungen etc. aus und notieren ebenfalls am Morgen und am Abend den Zählerstand. Und dann rechnen wir diesen Unterschied millionenfach für Österreich hoch.

Was wäre der zweite Punkt in puncto Einsparungs-Potential?

Eindeutig die Raumtemperatur im Winter. Meistens ist die unnötig hoch.

Der Dritte?

Der Luxus in all seinen Erscheinungsformen. Vom beheizten Pool über den übermotorisierten Fuhrpark bis zu den immer neuen Einrichtungen. Das ist alles gebundene Energie. Wenn man nachfragt, ist vieles davon unnötig, wird fast nie gebraucht oder bringt keine bessere Lebensqualität.

Der Vierte?

Die Unbedachtheit. Die Gewohnheiten. Das falsche Verständnis, dass Energie einfach billig immer da sein muss. In Betrieben sehe ich das oft. Der LKW ist nicht abgestellt. Der Bagger läuft weiter. Alle Geräte in der Küche sind eingeschaltet. Bausünden wie große Glasflächen wärmen im Sommer wie verrückt, aber niemand zieht eine Jalousie herunter. Es läuft eh die Klimaanlage. Tausend solche vermeintlichen Kleinigkeiten fallen auf. Und immer müssen wir das mal Millionen hochrechnen.

Geht es um die Kleinigkeiten?

Jeder weiß um die großen Dinge. Also, dass ein Haus gedämmt werden soll oder das Heizsystem geändert gehört. Aber die kleinen Dinge, die enorm viel bringen, die nichts oder wenig kosten, die werden vernachlässigt. Es geht um das Bewusstsein, um das Hinschauen, um Veränderungen im Kopf. Plötzlich sieht man das Potential und schaltet einen sinnlosen Verbraucher, und sei es nur eine überflüssige Glühlampe, ab.

Gibt es noch eine praxisnahe, günstige und einfache Einsparmöglichkeit?

Ein ganzes Haus zu dämmen, um Heizenergie zu sparen, ist gut, aber aufwändig und teuer. Ich sage Leuten, die sich das im Moment nicht leisten können oder wollen, dämme vorerst nur die oberste Geschossdecke. Das ist einfach, vergleichsweise billig und bringt enorm viel, also zwanzig Prozent der Heizenergie sind da schnell eingespart. Anfangen und tun ist wichtig. Nicht auf die große, perfekte und endgültige Lösung warten.

Was gibt es zu den Elektrogeräten und deren Verbrauch zu sagen? Soll man alle auf den letzten Stand bringen?

Es gilt abzuwägen. In jedem Gerät, auch in dem mit den besten Verbrauchsstandards, ist Energie für Rohstoffe, Produktion, Lieferung und spätere Entsorgung gebunden. Es spart Energie, eine alte Waschmaschine, die 70 Liter Wasser braucht, auszutauschen. Je geringer die Unterschiede zum besten Standard sind, desto weniger Sinn macht ein Neukauf.

Man hört immer wieder, dass man Computer nicht ausschalten soll, weil das Hochfahren viel Energie verbraucht, oder dass man Fernseher nicht ausschalten soll, weil dann das Sendersystem durcheinanderkommt.

Das sind Mythen. Das galt vielleicht früher für große, schwere Systeme. Heute gilt: ausschalten!

Womit können Gemeinden Energie sparen?

Natürlich bei ihren Gebäuden, den Schulen, den Kindergärten usw. Das ist bekannt und immer noch ein weites Feld. Sehr effizient ist die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf neueste LED-Technologie. Das bringt gleich einmal achtzig Prozent Stromeinsparung. Die Gefahr ist, dass man dann, weil man eh so viel einspart, mit den Lampen inflationär wird. Darauf muss geachtet werden.

Dieses Phänomen gibt es ja nicht nur bei der Straßenbeleuchtung.

Ja, man spart keine Energie, wenn man Glühlampen durch LED-Lampen ersetzt und dann Beleuchtungsorgien, denken wir nur an die Weihnachtszeit, veranstaltet, weil man eh energiesparende Lampen verwendet. So geht es nicht.

Können sich die Leute Ihre Einsparungs-Empfehlungen leisten?

Wer knapp bei Kassa ist, zahlt drauf. Wer eine billige Waschmaschine kaufen muss, zahlt dann mehr für den Strom. Energiesparen hat eine enorme soziale Dimension. 

Was tun? Wäre es sinnvoll, wenn etwa die Energieversorger das Energiesparen als eigenes Geschäftsfeld mit Beratung, Planung und Vorfinanzierung etablieren müssten? 

Aus meiner Erfahrung absolut ja. Die Energieversorger machen und finanzieren ja auch Energieberatung. Und die Energieberater, etwa der Salzburg AG, sind gut. Aber ja, das könnte so ausgebaut werden, dass die Energieversorger nicht nur für die Bereitstellung von Energie zuständig sind, sondern auch für die Einsparung. Für die Etablierung eines neuen Geschäftsfeldes würde es aber die Zustimmung der Aktionäre brauchen.

Wie viel Energieberater gibt es derzeit im Land Salzburg?

Rund 50.

Reicht das?

So wie es derzeit ausschaut nicht mehr. Die Nachfrage ist enorm angewachsen. Und das wird in den nächsten Jahren nicht weniger werden.

Werden wir die Energienachfrage von der Wohlstandsentwicklung entkoppeln können? Schaffen wir eine prosperierende Wirtschaft und ein gutes Leben für alle mit ausreichend nachhaltigen, umweltschonenden Energien?

Ich bin skeptisch. Ich sehe den Willen von Politik und Bürgern dafür derzeit noch nicht. Die allgemeine Anspruchshaltung an unseren Planeten ist überzogen, zerstörerisch und im Wesentlichen ungebrochen.

Das hören wir nicht gerne. Sagen Sie uns bitte zum Abschluss noch etwas Hoffnungsvolleres.

Wo ich als Energieberater hinkomme, sehe ich einen Willen zur Veränderung. Die Leute wollen etwas machen und tun es auch.

Vielen Dank für das Gespräch!

Fotocredit Grafik: ElisaRiva auf pixabay